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mein leben
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1919 - 2017

mein leben

Aus dem Eigenverlagsbuch > norbert heltschl - bauten und projekte - 1945 - 2001 ©2002 h&h&h <

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das ehrgeizige unternehmen, architekt zu werden, wurde für mich in den 30er jahren durch die begegnung mit prof. schmitthenner am lärchenhof in den teilwiesen in Imst zum lebenstraum.
früh schon erfuhr ich, dass ich ein besatzungskind war, der vater ein englischer kolonialoffizier aus manchester.
eine heirat mit meiner mutter kam nicht zustande, weil unter anderem die gelähmte großmutfer der pflege und des unterhaltes bedurfte, der fabrikantensohn bedauerte dies in vielen liebevollen briefen. mit der schule und mit den hausaufgaben hatte ich keine freude - lieber verbrachte ich die zeit, um mit den "indianern" baumhütten zu bauen. die geliebten gegenstände in der schule waren freihandzeichnen, geometrisch zeichnen und deutsch. es machte mich stolz, dass ich mit den höheren klassen in freier natur mit ölfarben malen durfte - häuser und kirchen versuchte ich zu planen.
angeregt durch meinen adoptivvater, er war bauleiter bei einer großen firma, habe ich mit inneren widerstand die maurerlehre angetreten. die arbeit im dreck und in der kälte (- 26 °c beim kasernenbau) war nicht in meinem sinne.
1937 aufnahmeprüfung in der staatsgewerbeschule in innsbruck.
1941 matura - kontakt mit prof, schmitthenner - im spätherbst einberufung zur luftwaffe, weil ich bereits die segelflugscheine gemacht hatte. dort in klagenfurt lernte ich einen guten freund, johannes spalt, den späteren rektor an der hochschule für architektur in wien kennen. bei den sportwettkämpfen des gesamten süddeutschen raums haben wir beide die meisten leichtathletiklaufdisziplinen gewonnen (100m in 11.6 sec., 400 m lauf, 400 m staffellauf, hochsprung: 1 75 cm).
durch den studienbeginn kam ich wieder in kontakt mit prof. schmitthenner, der an der techn. hochschule in stuttgart lehrte.
zu dieser zeit war die Stuttgarter schule mit schmitthenner und bonatz, der mit holzmeister in

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ankara baute, berühmt - und hatte den höchsten rang in der architekturbildung in deutschland (nicht von hitlers gnaden).
kurzausbildung als bordfunker in oppeln. einsatz als flugmeldungsfunker am stadtrand von stalingrad.
1943 - anfang jänner - schicksal stalingrad funkspruch "rette sich wer kann".
auf dem fluchtweg von kessel zu kessel - etwa 10-12 tage - eingeschlossen, ohne nahrung bei 40°c kälte. von 80 000 flüchtigen überlebten ca. 8 000.
von sieben schüssen schwer verwundet wurde ich wie durch ein wunder gerettet:
ein soldat legte mich quer auf ein pferd - die ganze nacht unterwegs - am morgen die hoffnung hinaus zu kommen - man ließ mich ohnmächtig liegen - aufgewacht bin ich im lazarett von ravensburg. versetzung nach stuttgart - zweiter besuch der th, wo meister schmitthenner residierte, sein vortrag war faszinierend, dazu einige zitate:
1.		die arbeit des architekten ist ordnung zu schaffen in einer reihe von technischen, wirtschaftlichen und menschlichen notwendigkeiten.
2.		die architektur ist der unerbitterliche, klare spiegel der menschheit und der völker.
3.		bauen, so es zur kunst wird, ist angewandte kunst.
4.		für die baukunst jedenfalls zeigt der spiegel eine welt des chaotischen scheins - in der die kunst nicht wachsen konnte.
dazu ein zitat des großen amerikaners richard meier - 60 jahre später: "in letzter zeit ist viel darüber gesprochen worden, dass wir in einer verwirrten, chaotischen gesellschaft leben, dem stimme ich zu - trotzdem versuche ich ordnung zu schaffen, statt dieses chaos nur zu spiegeln. - die abstraktion ist eines der mittel, das ich einsetze. ich glaube nicht, dass architektur die welt verändern kann, - aber ich glaube, dass gute architektur die lebensqualität bessert!"
ende april 1945, bei kriegsende, konnte ich in der meisterklasse der th stuttgart, in tübingen bei prof. schmitthenner die diplom-hauptprüfung in achitektur ablegen.

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die erforderliche nostrifizierung des diploms für österreich war nach kriegsende nicht möglich. ich musste die diplom-hauptprüfung im herbst 1945 in allen gegenständen an der th graz absolvieren. die th graz war voll in betrieb. der dortige dekan, prof. zotter bot mir die stellung eines wissenschaftlichen assistenten auf dem lehrstuhl für entwerfen, architekturzeichnen und bauaufnahmen an. er wies mir den weg in die moderne architektur.
in ausübung dieser idealen tätigkeit - entwerfen, bauaufnahmen, freihandzeichnen - wurde ich mit der sehr begabten, schönen studentin maria melcher bekannt.
nach zwei jahren wurde im dom zu graz geheiratet. - sie wurde nicht nur meine kreative gedankenspenderin und büropartnerin, sondern auch die mutter unserer fünf kinder: m***, thomas, sabine, b***, k***. heute haben wir bereits 20 enkel und eine urenkelin.
weitere stationen:
berufung an die staatbauschule (htl) in innsbruck. meine unermüdlichen bemühungen im vermittlungsversuch zur internationalen architektur. le corbusier, mies van der rohe, r. neutra, f. I. wright und bauhaus prägten meine tätigkeit auch an dieser schule. in dem nun gegründeten architekturbüro konnte ich meine bauten nicht entwerfen, ohne die arbeit von le corbusier zu kennen und zu lieben.
der von le corbusier wissenschaftlich erarbeitete "modulor" wurde in unserem büro mit maximal fünf mitarbeitern als maßstab mit erfolg und konsequenz angewendet. er dient ja auch als hilfsmittel, um die proportionen zu kontrollieren. - so bildete er die basis für alle planungen und le corbusier die hauptinspiration.
mein Interesse auch an anderen kunstformen führte zu einer intensiven zusammenarbeit mit bildenden künstlern.
im großteil meiner bauten konnte ich im einvernehmen mit den bauherren künstler integrieren, vor allem meinen damaligen freund august stimpfl.

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meine aufträge erlangte ich ja vorwiegend durch gewonnene wettbewerbe. mit den spießbürgern, politikern und behörden war ich als aktiver umweltschützer ständig im clinch (siehe verhinderung autobahn ulm - mailand). eine auswahl meiner arbeiten sind im katalog zu sehen.
1980 pensionierung von der schule, fortführung des büros bis
1995 dann pensionierung als zivilingeneur 1995 - 2000 arbeiten an verschiedenen städtischen projekten mit sohn thomas
meine tätigkeit als architekt und lehrer dauerte insgesamt 55 jahre. die erfolgreichsten jungen architektenschüler wurden meine freunde. sie bestätigten mir, dass ich sie durch meinen kreativen unterricht in architektur und kunst für die architektur motiviert habe.
es war auch eine lebenszeit der auseinandersetzungen mit behörden, politikern, bauherren und kollegen. viele bauherren wurden aber meine freunde.
für mich war es ein großes ärgernis, wenn ich bei der Planung auf ein vorhandenes bauliches chaos stieß - fremdkörper für die umgebung, unproportioniert, nur gängige klischees.
zum schluß will ich sagen, was ich in vielen publikationen, vorträgen und veröffentlichungen als grundsatz propagiert habe:
das endziel aller bildnerischen tätigkeiten ist der bau - und eine architektur, welche nicht den anspruch auf kunst erhebt, ist keine architektur.