LEHRPLAN 2004
GEOGRAPHIE und WIRTSCHAFTSKUNDE
BUNDESGESETZBLATT
FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH
Jahrgang 2004 Ausgegeben am 8. Juli 2004 Teil II
277. Verordnung: Änderung der Verordnung über die Lehrpläne der allgemein bildenden höheren Schulen; Bekanntmachung der Lehrpläne für den Religionsunterricht
¬ Bildungs- und Lehraufgabe:
Der Geographie- und Wirtschaftskundeunterricht soll Motive und Auswirkungen, Regelhaftigkeiten und Probleme menschlichen Handelns in den eng miteinander verflochtenen Aktionsbereichen „Raum, Gesellschaft und Wirtschaft“ sichtbar und unter dem Gesichtspunkt der Politischen Bildung verständlich machen. Der Fachunterricht soll sich verstärkt folgenden Werten verpflichtet fühlen: einer menschenwürdigen Gesellschaft, einer intakten Umwelt und nachhaltigen Wirtschaft.
Darüber hinaus soll der Unterricht aus Geographie und Wirtschaftskunde den Schülerinnen und Schülern jene Qualifikationen vermitteln, die den Schülerinnen und Schülern eine weitgehend selbstbestimmte Wahl aus den vielfältigen Bildungs- und Berufsangeboten in einer sich ständig verändernden Welt ermöglichen sollen.
Neben diesen allgemeinen Bildungsaufgaben zielt der Unterricht aus Geographie und Wirtschaftskunde auf drei methodische sowie drei fachspezifische Kompetenzen ab, denen besondere Lehraufgaben zugeordnet sind:
Methodenkompetenz
geographisch – wirtschaftskundliche Informationen mit Hilfe bewährter und auch mit dem Einsatz computergestützter Verfahren gewinnen, analysieren und zielgruppenorientiert darstellen können
Nutzung und Auswertung topographischer und thematischer Karten sowie von Weltraumbildern Orientierungskompetenz
Entwicklung der Fähigkeit, erworbenes Wissen und gewonnene Einsichten im privaten, beruflichen und öffentlichen Leben bei räumlichen, wirtschaftlichen, politischen und berufsbezogenen Entscheidungen anzuwenden
Verdichtung und Sicherung eines weltweiten topographischen Rasters um raumbezogene Informationen selbständig einordnen zu können
Synthesekompetenz
Einsicht in das Wirkungsgefüge und die Dynamik des Raumes, der Gesellschaft und der Wirtschaft sowie in die zugrunde liegenden Machtstrukturen vermitteln
die räumlichen Gegebenheiten und deren Nutzung sowie die Regelhaftigkeiten menschlichen Verhaltens in Raum, Gesellschaft und Wirtschaft aufzeigen
die Komplexität von Beziehungsgeflechten zwischen Natur- und Humanfaktoren erkennen und zu den Auswirkungen menschlicher Eingriffe Stellung nehmen können
Raum, Gesellschaft und Wirtschaft auch fächerübergreifend mit benachbarten natur- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen betrachten können
Umweltkompetenz
die Bedeutung der Wahrnehmung und Bewertung von Umwelt im weitesten Sinn für das menschliche Handeln erkennen
Kenntnis der Probleme des Umweltschutzes aus betriebs- und volkswirtschaftlicher Sicht unter Berücksichtigung technologischer Aspekte
Landschaften als Lebensräume ökonomisch und ökologisch einschätzen; Interessensgegensätze bei der Nutzung von Räumen erkennen und somit auch die Notwendigkeit von Raumordnungsmaßnahmen begründen
Festigung der Erziehung zur globalen Verantwortung für die „eine Welt“
Gesellschaftskompetenz
Aspekte geschlechtsspezifischer Unterschiede in verschiedenen sozioökonomischen Systemen analysieren
die Fähigkeit erweitern, die von den Massenmedien verbreiteten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Informationen über Österreich, Europa und die Welt kritisch zu beurteilen
die persönliche Rolle als Konsument bzw. Konsumentin kritisch durchleuchten und die volkswirtschaftliche Bedeutung des Konsumverhaltens erkennen
Motivation zur persönlichen Auseinandersetzung mit lokalen, regionalen und globalen Fragestellungen
die Qualifikationen erwerben, an der Entwicklung des „Neuen Europa“ aktiv mitzuwirken
Wirtschaftskompetenz
Verständnis grundlegender Zusammenhänge in betriebs-, volks- und weltwirtschaftlichen Bereichen sowie Kenntnis gesamtwirtschaftlicher Gesetzmäßigkeiten, Strukturen und Probleme
Wirtschaftspolitik als wesentlichen Bestandteil der Politik erkennen, ihre Modelle und deren reale Umsetzung in unterschiedlichen Systemen einschätzen können
Erwerb grundlegender Kenntnisse und konkreter Einblicke in innerbetriebliches Geschehen
Einsicht in den Wandel der Produktionsprozesse und Verständnis für Veränderungen der Arbeitsund Berufswelt unter dem Einfluss wachsender Technisierung und Globalisierung
Interesse wecken für ein Erwerbsleben im selbständigen Bereich
Mit seinen grundlegenden Zielen soll der Unterricht in Geographie und Wirtschaftskunde die Beiträge zu den Aufgabenbereichen der Schule sowie den einzelnen Bildungsbereichen
Sprache und Kommunikation, Mensch und Gesellschaft, Natur und Technik, Kreativität und Gestaltung, Gesundheit und Bewegung,
die bereits im Lehrplan der Unterstufe definiert wurden, leisten. Die dort definierten Beiträge sind altersadäquat weiter zu entwickeln und zu vertiefen.
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¬ Didaktische Grundsätze:
Die im Abschnitt Lehrstoff formulierten Lernziele und Themenbereiche umschreiben jene Kenntnisse und Einsichten, die zum Erwerb der in der Bildungs- und Lehraufgabe angeführten Kompetenzen durch die Schülerinnen und Schüler führen sollen.
Aus den Zielstellungen haben die Lehrerinnen und Lehrer die Lerninhalte eigenverantwortlich und begründet abzuleiten. Dabei sind folgende Kriterien zu beachten: die Schüler- und Klassensituation, der aktuelle Bezug, die exemplarische Bedeutung, die Transferfähigkeit, die fächerübergreifenden Aspekte. Die Themen sind einheitlich für alle Schulstufen durchstrukturiert. Das jeweils erste Thema bietet einen allgemeinen Einstieg in die Problematik der Raumstrukturierung. Es folgen Themen die den Kompetenzbereichen Umwelt - Wirtschaft - Gesellschaft zugeordnet werden können.
Im jeweils letzten Einzelthema und in den Themen der 8. Klasse wird verstärkt die Synthesekompetenz, beim letzten Einzelthema in der 7. Klasse verstärkt Berufsorientierung eingefordert.
Das intensive Befassen mit den Inhalten der einzelnen Themen und die Sicherung eines ständigen Lernprozesses sind dem bloßen Wissenserwerb vorzuziehen.
In der Oberstufe werden höhere Anforderungen an die Orientierung und Selbständigkeit gestellt als in der Unterstufe. Es soll in jeder Klasse Unterrichtseinheiten geben, in denen die Schülerinnen und Schüler durch die unmittelbare Auseinandersetzung mit der Realität lernen.
Im Unterricht soll die Aktivität der Schülerinnen und Schüler im Vordergrund stehen. Daher sind verstärkt Unterrichtsverfahren einzusetzen, die zu eigenständiger und kritischer Informationsverarbeitung führen. Dabei sind neben traditionellen geographischen Arbeitsformen insbesondere die Möglichkeiten der IKT zur Gewinnung sowie Verarbeitung und Darstellung geographischer und wirtschaftskundlicher Informationen zu nutzen. Methoden zur Aneignung neuen Wissens und Könnens sind zu entwickeln. Das selbständige Erkennen von Problemen und das Finden von Wegen zu ihrer Lösung sind zu üben. Modellund Theoriebildung sind als Hilfe bei der Bewältigung der Informationsfülle zu nutzen. Daher kommt Fallstudien und projektartigen Unterrichtsverfahren bzw. fächerübergreifenden Projekten und didaktischen Spiele in jeder Klasse besondere Bedeutung zu.
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¬ Lehrstoff:
¬ 5. und 6. Klasse:
Die soziale, ökonomisch und ökologisch begrenzte Welt
Gliederungsprinzipien der Erde nach unterschiedlichen Sichtweisen
Gliederungsmöglichkeiten der Erde nach naturräumlichen, kulturellen, politischen und ökonomischen Merkmalen aufzeigen
Einsicht gewinnen, dass Gliederungen immer einem bestimmten Zwecken dienen, dass Grenzen Übergangszonen und die so abgegrenzten Gebiete meist nicht einheitlich sind
Landschaftsökologische Zonen der Erde
Wechselwirkung von Relief, Klima, Boden, Wasser und Vegetation verstehen
Klimadaten in Diagramme umsetzen und daraus eine Klimagliederung der Erde ableiten
Bevölkerung und Gesellschaft
die Dynamik der Weltbevölkerung unter Bezugnahme auf das Modell des demographischen Überganges analysieren und ihre heutige und die mögliche zukünftige Verteilung darstellen
Ursachen und Auswirkungen der räumlichen und sozialen Mobilität in verschiedenen Gesellschaften erkennen
Die Menschen und ihre wirtschaftlichen Bedürfnisse
die Bedeutung der Märkte und der Preisbildung für die Verteilung knapper Güter und für die grenzenlosen Bedürfnisse erkennen
wirtschaftliche Ungleichheiten auf der Erde anhand der Verfügbarkeit an Produktionsfaktoren (Boden, Arbeit, Kapital, Humanressourcen) sowie als Folge politischen Handelns erklären können
Nutzungskonflikte an regionalen Beispielen
regionale Konflikte über die Verfügbarkeit von knappen Ressourcen (Boden, Wasser, Bodenschätze usw.) und dahinter stehende politische Interessen erklären können
Erfassen, wie sich Naturereignisse aufgrund des sozialen und ökonomischen Gefüges unterschiedlich auswirken
Vielfalt und Einheit - Das neue Europa
Raumbegriff und Strukturierung Europas
unterschiedliche Gliederungskonzepte Europas nach naturräumlichen, kulturellen, politischen und ökonomischen Merkmalen begreifen; Erfassen des Europa-Begriffes
die wichtigsten räumlichen und ökonomischen Auswirkungen des Integrationsprozesses der Europäischen Union kennen
Produktionsgebiete im Wandel – Außerwert- und Inwertsetzung als sozioökonomische Problemstellungen
die Abhängigkeit landwirtschaftlicher Nutzung vom Naturraumpotential und den agrarsozialen Verhältnissen erkennen
die Eignung von Naturräumen für die Tourismusentwicklung sowie die Folgen der Erschließung vergleichend bewerten
Konvergenzen und Divergenzen europäischer Gesellschaften
die europäische Dimension für die Gesellschaftsentwicklung erfassen und die Chancen für die eigene Lebens- und Berufsplanung erkennen.
Erkennen, dass sich Europa zum Einwanderungskontinent entwickelt hat
Wettbewerbspolitik und Regionalpolitik
Einsichten in die Maßnahmen und Auswirkungen der Verkehrs- und Wirtschaftspolitik der Europäischen Union gewinnen. Deren Träger, Instrumente und Funktionsweise kennen lernen und kritisch bewerten
regionale Disparitäten an ausgewählten Staaten und überstaatlichen Gebilden erkennen und analysieren, sowie die Bedeutung der Regionalpolitik für den Abbau derselben erfassen
Regionale Entwicklungspfade im Vergleich
anhand ausgewählter Beispiele die Veränderungen in Raum, Wirtschaft und Gesellschaft nach einem Beitritt zur Europäischen Union aufzeigen
Erfassen der Bedeutung grenzüberschreitender Zusammenarbeit für die Raumentwicklung
¬ 7. Klasse:
Die grünen Lernziele stellen die verbindlichen zusätzlichen Bereiche des Wirtschaftskundlichen Realgymnasiums dar.
Österreich – Raum – Gesellschaft – Wirtschaft
Veränderungen der geopolitischen Lage Österreichs
die unterschiedliche Qualität der politischen Grenzen Österreichs seit dem 20. Jahrhundert in ihrer Wirkung auf Verkehr, Wirtschaft und Migration erfassen
Möglichkeiten für grenzüberschreitende Regionalentwicklung unter dem Einfluss der europäischen Integration erkennen
Naturräumliche Chancen und Risken
geoökologische Faktoren und Prozesse am Beispiel eines alpinen sowie eines außeralpinen österreichischen Landschaftsraumes aufzeigen und in ihrem Zusammenwirken erklären
die naturräumlichen Gegebenheiten als Ansatzpunkt für die Regionalentwicklung bewerten können
naturräumliche Voraussetzungen sowie wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Interessen als Ursachen ökologischer Probleme erkennen
Bereitschaft entwickeln für einen sorgsamen Umgang mit den knappen Ressourcen Luft, Wasser und Boden
Demographische Entwicklung und gesellschaftspolitische Implikationen
die Entwicklung der österreichischen Bevölkerung (zeitliche und räumliche Dimension) darstellen können sowie mögliche Folgen ableiten und beurteilen
die Lebenssituation ausgewählter Bevölkerungsgruppen vor dem Hintergrund des Phänomens „Fremdsein“ analysieren und bewerten können
die gesellschaftspolitischen Herausforderungen einer alternden und multikulturellen Gesellschaft erfassen
Gesamtwirtschaftliche Leistungen und Probleme – Wirtschafts- und Sozialpolitik
aus dem Magischen Vieleck Zielkonflikte der Wirtschaftspolitik ableiten und unterschiedliche Positionen formulieren
die Besonderheiten der österreichischen Wirtschafts- und Sozialpolitik erfassen
anhand des Budgets wirtschafts- und sozialpolitische Absichten sowie Maßnahmen der Bundesregierung besprechen und analysieren
das Zustandekommen wichtiger wirtschaftlicher Daten kennen lernen und deren Aussagekraft beurteilen
Wirtschaftsstandort Österreich
die Vor- und Nachteile des Wirtschaftsstandortes Österreich aus unterschiedlicher Sicht erarbeiten und mit anderen Staaten vergleichen
die Entstehung regionaler Disparitäten erklären und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf das Alltagsleben und die Wirtschaft erläutern
außenwirtschaftliche Verknüpfungen im Zuge der EU-Mitgliedschaft bzw. des Globalisierungsprozesses erkennen und analysieren
Industrie und Dienstleistung (Tourismus, Handel usw.) als wesentliche Basis der Wertschöpfung erkennen und ihre jetzigen bzw. zukünftigen vernetzten Problemfelder aufzeigen Unternehmen und Berufsorientierung
von der Produkt- oder Geschäftsidee zum eigenen Unternehmen – ein fiktives Unternehmen gründen
die Einnahmen- und Ausgabenrechnung bei Unternehmen und privaten Haushalten in ihren Grundprinzipien verstehen
die Vielfalt der Bildungswege kennen lernen und die eigene Positionierung in der Berufswelt finden
betriebliche Kennzahlen an Hand von Beispielen interpretieren können
Erfassung und Bewertung von innerbetrieblichen Entscheidungen im Spannungsfeld von Konkurrenz, ökologischen und ökonomischen Notwendigkeiten
Veränderungen von Strukturen innerhalb und im Umfeld der Unternehmen erkennen und ihre Folgen abschätzen können
Erkundung eines Dienstleistungsbetriebes
¬ 8. Klasse:
Die grünen Lernziele stellen die verbindlichen zusätzlichen Bereiche des Wirtschaftskundlichen Realgymnasiums dar.
Lokal –regional – global: Vernetzungen – Wahrnehmungen – Konflikte
Globalisierung – Chancen und Gefahren
die Prozesse der Globalisierung und ihre unterschiedlichen Interpretationen erkennen und bewerten
den globalen Klimawandel in seinen möglichen Auswirkungen auf Lebenssituationen und Wirtschaft charakterisieren können
lokale Betroffenheit durch globale Probleme erkennen und Verantwortungsbewusstsein für die gesamte Erde entwickeln
die Chancen flexibler „Kleiner“ in der globalen Wirtschaft erkennen
traditionelle und künstliche Freizeitwelten in Abhängigkeit zu lokalen und globalen Angebots- und Nachfragestrukturen erfassen und hinsichtlich ihrer sozialen und ökologischen Auswirkungen bewerten
Politische und ökonomische Systeme im Vergleich
Zusammenhänge zwischen der sozialen und politischen Entwicklung unterschiedlicher Kulturräume und ihre Auswirkungen auf Weltpolitik und Weltwirtschaft erkennen können
die Asymmetrie zwischen der ökonomischen Macht auf der einen Seite und den sozialen und politischen Interessen auf der anderen Seite erkennen
Ursachen und Auswirkungen sozialer und ökonomischer Disparitäten auf globaler Ebene beurteilen und Möglichkeiten von Verbesserungen durch Entwicklungszusammenarbeit diskutieren
Zusammenschlüsse auf wirtschaftlicher und politischer Ebene vergleichen
Städte als Lebensräume und ökonomische Zentren
den Prozess der Verstädterung und dessen wichtigste Ursachen verstehen
Erfassen der Bedeutung von Metropolen als Steuerungszentren der Wirtschaft und als Orte der sozialen Differenzen
die Vielfalt der lebensräumlichen Wirklichkeiten der Stadt vergleichen können
Umweltprobleme expandierender Stadtregionen erkennen
Geld- und Währung
die internationalen Geldströme analysieren und ihre Bedeutung für die unterschiedliche Entwicklung von Regionen erfassen
wichtige Anlageformen nach Risiko und Chance bewerten
Politische Gestaltung von Räumen
die Raumordnung als gestalterisches Element auf kommunalpolitischer Ebene kennen lernen und ihre Auswirkungen beurteilen
Erfassen wie durch Zuweisung von Symbolen und Images neue Räume geschaffen und wie dadurch die Raumwahrnehmung sowie räumliche Identität nachhaltig verändert wird
Bereitschaft entwickeln zumindest auf der kommunalpolitischen Ebene gestaltend mitzuwirken
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